Emetteur: Raphael Ritz
Destinataire: Lorenz Justin Ritz
Lieu d'envoi: Kleinbremen
Date d'envoi: 01-09-1857
Raphael Ritz à son père à Sion. Vœux de fête - Ses œuvres - "le genre idyllique du paysage suisse est mon préféré" - Le temps - La pension complète - Nouveau logement à Düsseldorf. Souhait de rentrer à la maison.
Kleinbremen im Amte Hausberge bei Preussisch-Minden, 1 September 1857.
Bester Vater!
Ihr lieber Brief vom 15ten August machte mir sehr viele Freude. Ich war eben unpässlich, als ich ihn erhielt und wünschte mich recht sehnsüchtig zu Ihnen in die Heimath. Von der Unpässlichkeit habe ich mich wieder zimlich erholt; es war eine Art Uebergang; denn es waren Viele unwohl, in Folge eines sehr lange anhaltenden und äusserst heftigen Ostwindes. – Erhalten Sie meinen besten Dank für die abermalige gütige Geldsendung von 200 Franken. Wohl werden Sie errathen, warum ich Ihnen diessmal so schnell antworte; es rückt nämlich der 5te September heran, Ihr Geburts- und Namenstag. Es sind nun schon manche Jahre, dass wir diesen Tag nicht mehr im vollständigen Familienkreise feiern und mehr als je wünschte ich diessmal dabei zu sein und Ihnen persönlich zu gratulieren. Und doch muss ich es leider abermals bloss schriftlich thun!
Gebe der liebe Gott, dass Sie Ihren Geburts- und Namenstag noch recht viele, recht viele schöne Jahrefeiern können; erhalte er Sie in bester Gesundheit, in ungetrübtem Wohlsein und Glücke; mögen Alle Ihre Tage recht heiter, fröhlich und glücklich sein. Und überhaupt alles, was Ihnen lieb und was Sie wünschen, wolle Ihnen zu Theil werden. Meinen herzlichsten Dank sende ich Ihnen für Ihre viele Liebe und Güte; der Himmel belohne Sie dafür tausendfältig, segne Ihre Mühen und Ir Streben und Wirken für uns Ihre Kinder mit bestem Erfolge. –
Ich bin hier mit Studienmalen beschäftigt. Allerdings kann ich die westphälische Studien nicht nur bloss für meine beiden Bilder, sondern auch für spätere Arbeiten benützen, theils durch das dabei Gelernte, theils auch durch direkte Anwendung; auch bei meinen schweizerischen Bildern; denn, wie schon gesagt, das schweizerisch, landschaftlich und idyllische Genre ist mein Liebling. Die meisten sind Sonnen- studien. Natürlich immer kann man nicht Sonnenstudien machen, weil das Wetter hier oft veränderlich ist; wir haben zwar zimlich selten Regen, aber Vor- mittags manchmal Nebel, und letzthin etwa 14 Tage lang fast jeden Nachmittag oder Abend ein Gewitter, (aber schnell vorübergehend); kurz oft hübsche Tage ohne Sonne;dazu jener Ostwind,c der beim heitersten Himmel wegen seiner Heftigkeit dem Studienmalen im Freien doch störend war. Das alles wird aber auch benützt; man malt dann interessante Stimmungen, Fernen und der gleichen , eine sehr nützliche Uebung, um die feinen Abstufungen der Töne, die verschiedenen Effekte et cetera zu studieren, und man kann solche Dinge früher und später gut brauchen; ferner malte ich bei blosser Tagesbeleuchtung (ohne Sonne) die Vordergrund- studien, die ich für das Kinder-Idyll und anderes brauchen kann; auch einige Figuren-Studien und zwei Intérieurs sowie auch allerlei Zeichnungen.
Bei Sonne malte ich einen Eichbaum, Mittel- und Hintergründe, Figuren et cetera – Da der Sonnenstand und die Farbe des Sonnen- lichtes sich mit dem Laufe des Tages ändert (Morgen, Mittag, Abend, Untergang), so hat man sich darnach auch zu richten und malt bei den verschiedenen Tageszeiten an einer, zwei oder drei Studien und so weiter –
Unser Kosthaus hier ist diess Jahr von Malern vollgestopft; sämmtliche Schüler Jordans und noch andere; einige Zeit waren auch drei preussische Offiziere (zugleich Maler-Dilettanten) hier; auch Lippisch-Schaumburgische Offiziere besuchen uns öfters. Wie voriges Jahr, bezahlen wir per Person 15 Thaler für Kost und Logis monatlich. In frühere Jahren war es hier bedeutend billiger. Die Leute hier sind recht gut, einfach, ruhig und biedern Gemüthes. Zank und Schlägereiensind hier eine grosse Seltenheit. – Idyllische Motive im Landschaftlichen und auch aber weniger in Figuren, findet man hier in Fülle und sehr schöne. – und so weiter – Letzthin hat mein Stubenkamerad in Düsseldorf (Rögels, mit dem ich schon lange Zeit die Wohnung theile) die Wohnung ver- lassen und ich habe daher ebenfalls der Hausfrau von hier aus schriftlich dieselbe gekündigt, weild die Wohnung für mich allein zu theuer wäre und ich wie Rögels mit den Hausleuten nicht mehr zufrieden waren; so lange der alte Lamertz selig noch lebte, waren wir ganz zufrieden.
Mit der Gesundheit geht es wieder zimlich gut; nur fehlt mir seit längerer Zeit schon manchmal der Appetit und mitunter auch der Schlaf. –
Ich muss es sagen: Mein Wunsch und die Sehnsucht, Euch und die Heimath wieder zu sehen, ist sehr gross. Gar zu gerne möchte ich Euch diesen Herbst besuchen, wenn ich eins oder es andere Bild verkaufte oder mir überhaupt nach Vollendung der angefangenen Studien noch so viel übrig bliebe, um die Reise machen zu können. Dass die Reise nach der Heimath so viel kosten muss! – Ich fürchte, dass es mir schaden wird, wenn ich diesen Wunsch nicht befriedigen kann; – die Vollendung der angefangenen Bilder würde durch die Schweizerreise wohl verzögert; sie würden aber dadurch und durch Studien in der Heimath nur um so besser. Dann könnte ich bereits auch andere Studien und Vorarbeiten machen und auche einige schöne Motive gleich nach der Natur so fertig malen, dass es nicht bloss Studien, sondern auchf Bilder würden; und Schweizerische Gegenstände verkaufen sich sehr gut, weil sie jetzt in vielen Orten gleichsam Mode sind. –
Mit den herzlichsten Grüssen an Euch alle, alle.
Ihr dankschuldigster Sohn Rafael. Meine Grüsse an Sie, Mama, Wilhelm, Lorette, – an alle Freunde, Verwandte, Gönner et cetera Wenn Sie in Bern sind und Zeit haben, besuchen Sie villeicht die Familie Rieter daselbst und grüssen Sie dieselbe von mir. Schreiben Sie mir recht bald wieder. Wenn’s mir möglich würde, besuchte ich Sie recht bald, noch diesen Monat.