Emetteur: Raphael Ritz

Destinataire: Lorenz Justin Ritz

Lieu d'envoi: Düsseldorf

Date d'envoi: 05-09-1856

Sources complémentaires

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Raphael Ritz à son père Lorenz Justin Ritz à Sion. Description du voyage, de la région, des costumes des gens et des bâtiments.

Bester Vater!

Am 16ten August von Düsseldorf verreisst, kam ich mit einigen Collegen glücklich an demselben Tage hier an. Die Reise wurde grösstentheils per Eisenbahn zurückgelegt; sie ging über Duisburg, Essen, Dortmund, Camen, Hamm, Rheda, Gütersloh, Biefeld, Herford, den Badort Rehme , Porta, durch die grosse preussische Festung Minden, und von da mit einem andern Zuge nach Bückeburg, der Haupt- und Residenzstadt des kleinen Fürstenthums gleichen Namens. Ein Wagen brachte uns von dort in drei Viertelstunden an unsern Bestimmungsort. – 

Die Gegend hier ringsum, liegt im Weser-Gebirge und ist von vielen Hügeln, waldigen Bergen, die herrliche Aussichten bieten, und Thälchen durchzogen, die sich gegen Minden et cetera hin in eine grosse Ebene abdachen. Kleinbremen selbst ist noch Preussisch; aber bloss 5 Minuten (südl.) von unserm Standquartier, fängt schon Hessen an, und in 15 Minuten östl. steht man auf dem Boden des FürstenthumsBückeburg, das 4 Quadratemeilen hat, und dessen Hauptstadt ungefähr die Grösse von Sitten, mit circa 4000 Einwohnern, hat und auch manch Interessantes bietet. –

Die ganze Gegend hier und besonders das Dorf Kleinbremen, wo sich gleichsam das Malerische des (| (?) concentrirt, ist für den Genremaler, und auch noch für den Landschafter, ausserordentlich interessant und reich an Motiven. Das Volk, einfach, bieder, arbeitsam, brav, bietet einen guten Typus und ein ganz gutes originelles Costüm, das in Form und Farben recht malerisch und günstig zu guter Wirkung ist. Die Männer tragen grosse schwarze Hüte, oft Pelzmützen, lange weisse oder schwarze Röcke mit vielen Knöpfen, kleine Westen, kurze Hosen mit Schnallen, und wollene Strümpfe et cetera Die Mädchen und Frauen tragen allerliebste Mützen mit vielen Bändern, rothe Röcke, blaue Schürzen, bunte Wamms, oder blaue oder grüne Camisols, ein buntes Umschlagetuch, buntgestickte Strümpfe, et cetera Die Kinder sind gekleidet wie die Ältern Leute, und machen sich besonders allerliebst in dieser Tracht, da sie ausserdem durchschnittlich schön und durchgehends flachshaarig sind. Bei der Arbeit tragen die Mädels und Weiber keine Wamms, wenn’swarm ist, und ein Camisol, wenn’s kalt ist. Die Häuser sind gross und eigenthümlich gebaut; jedes hat seinen umzäunten Hof mit Ziehbrunnen, Scheunen, Ställen et cetera ; vorn im Hause ist ein grosses Thor, das gleich in einen grossen Raum, (oft sehr malerisch und originell beleuchtet, oft sehr schwarz, dunkel, angeräuchert) führt; in diesem Raum liegt vorn die Tenne, rechts und links die Eingänge und theilweise Ansichten von Kuhstall, et cetera , der Hühner- und Taubenschlag, hinten die Küche, et cetera , mit Feuerherd, Rateliers, et cetera , von wo man dann in die kleinen Zimmer kommt. et cetera Wir haben mehr als genug Stoff zu Studien und sind auch alle recht fleissig damit beschäftigt. – Die Luft ist rein und gesund, das Essen einfach, ländlich, gesund und kräftig, namentlich gut Brod, Milch, Wasser, Fleisch. Ich hoffe, dass der Aufenthalt hier mir gut anschlagen wird; es geht auch schon besser mit der Gesundheit, die Kopfschmerzen lassen allmählig bedeutend nach, und ich kann wieder recht arbeiten. –

In diesen Tagen feiern wir nun auch Ihren Geburts- und Namenstag; ich sende Ihnen auf denselben tausend herzliche Glückswünsche und den innigsten Dank für Alles Liebe und Gute, dass Sie mir bishererwiesen. Wolle der Allmächtige Sie dafür tausendfach belohnen und Ihnen die Fülle alles Guten geben, Alles, was Sie erfreuen und beglücken kann. Möge Er geben, dass die vielen Sorgen, Opfer, Mühen um mich, dass sie Ihnen endlich auch gute Früchte und Freude bringen möchten. – Nehmen Sie meinen Dank, und meine Wünsche gütig an, und schenken Sie mir auch ferner Ihre väterliche Liebe und Güte. – Hiemit auch meine Wünsche an Loretchen, oder Schwester Agatha.

Mit 1000 herzlichen Grüssen an Sie, Mama, Geschwisterte, et cetera

Ihr dankschuldigster SohnRafael. bei Herrn Roennekamp in Kleinbremen, bei Preussisch-Minden. Kleinbremen 5 September 1856.

So eben erhalte ich einen Geldschein von Ihnen, der Brief mit Geld liegt noch in der Station Hausberge, von wo ihn der Landbote ebenfalls mitbringen wird (Hausberge 2 Stunden von hier, vor Minden). Briefe und Gelder hieher aus dem Preussischen kommen nämlich nicht über Bückeburg (als Ausland), sondern über Minden und Hausberge. –

Meine Grüsse an Berchtold, Rion, Calpini, von Kalbermatten, Fumeaux, Furrer, Tavernier, et cetera