Emetteur: Raphael Ritz

Destinataire: Lorenz Justin Ritz

Lieu d'envoi: Düsseldorf

Date d'envoi: 27-01-1855

Sources complémentaires

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Raphael Ritz à son père à Sion. Progrès dans ses études - Exercices musicaux avec le peintre Rainers - Le peintre de bataille Bleibettren et ses tableaux - Le temps et la destruction du pont du bateau - La fête fédérale de musique de Sion dans l'"Illustrierte Leipziger Zeitung".

Düsseldorf, den 27. Jänner 1855.

Theurer Vater!

Ich habe Ihren lieben Brief vom 4ten Jänners erhalten und danke Ihnen ebenfalls herzlich für die lieben Glückswünsche. Ich habe mir wohl ein schönes, aber sehr schwer erreichbares Ziel vorgesteckt, das noch in weiter Ferne liegt; wolle der Allgütige mir verleihen, dass ich recht bald auf dem weiten Felde der Kunst vorwärts komme, wolle Er geben, dass ich einst etwas Gutes leisten könne! – 

Das Neujahr habe ich gesund angefangen und befinde mich wohlauf. Fleissig male ich Studienköpfe nach dem Leben; wie die Herrn Schadow und Hildebrandt sagen, soll ich darin Fortschritte machen. Allerdings sind meine letzten Studienköpfe bereits bedeutend besser, als die ersten. Abends zeichne ich Akte; nebst dem übe ich mich auch weiter im Zeichnen von Contouren, Entwürfen, Compositionen aus unserm Volksleben, das so viele schöne und interessante Motive darbietet, die jetzt sehr beliebt sind, und so weiter – Musikalische Uebungen vernachlässige ich auch nicht, so weit es das bischen Zeit erlaubt; ich hatte diesen Winter das Glück, mit dem Genremaler Rainers, von dem vorigen Sommer ein schönes Genrebild « eine Wahrsagerin » ausgestellt war, bekannt zu werden. Er ist zugleich auch ein guter Musiker und mein Nachbar; mit ihm kann ich abends nach dem Akte manchmal Duetts spielen, wodurch ich viel lerne. – 

Seit den Ferien machte ich auch die Bekanntschaft mit dem berühmten Schlachtenmaler Bleibtreu, der in der Grossartigkeit und Lebendigkeit der Composition hier von Niemanden übertroffen wird. Seine frühere Bilder waren aus dem Kriege in Schleswig-Holstein, und die Schlacht bei Grossberen; vorigen Sommer war von ihm die « Erstürmung des Grimmaischen Thores in der Leipziger Schlach », auf der Grossen Kunstausstellung; diesen Winter sah ich in seinem Atelier selbst seine « Schlacht bei Crefeld », eben auf der Staffelei; und den angefangenen Carton der « Schlacht an der Katzbach », die ganz grossartig componirt ist. Er gehört überhaupt in die Reihe der grössten Schlachtenmaler unserer Zeit. – Auch mit einigen andern guten Künstlern machte ich Bekanntschaft. – Die permanente Kunstausstellung hat immer neue, schöne Gemälde, besonders Genres, Porträts und Landschaften, in letzter Zeit zum Beispiel. von Vautier, Tidemand, Jordan, Hünten, Schrödter, Wilhelm Lohn, Siegert, Sell, Oswald Achenbach, Weber, und so weiter Leutze’s Carton zu seinem vorigen August ausgestellten grossen Tableau : « Cromwells Familie bei Milton », ist ein wahres Muster der schönen Zeichnung. – Interessant und reichhaltig war auch das Schirmer-Album, das im Dezember aus gestellt war. – 

Der Winter war hier bis neulich sehr milde und ohne Schnee. Der Rhein, im Oktober so niedrig, wurde letzten Dezember ausserordentlich gross, so dass er die Strassen längs dem Rhein überschwemmte. Neulich hat sich das Wetter geändert, es wurde kälter, gab Schnee und der Rhein wurde klein und trägt grosse Eismassen, so dass die Schiffbrücke weggenommen werden musste. - Vor mehrere Wochen hatten wir von der Akademie aus das sehr interessante Schauspiel, dass drei grosse Flösse hintereinander schnell den Rhein herunterkamen, und einen grossen Theil der Schiffbrücke (die nicht schnell und weit genug ausgefahren werden konnte) zerstörten, auch eine Dampfschiffbrücke mit einem vor Anker liegenden Dampfboote wurden weggerissen. – Das vorjährige schweizerische Musikfest zu Sitten ist in der illustrirten Leipziger-Zeitung erschienen, mit zwei Abbildungen, die eine giebt den Festzug, aus der Rue de Lausanne herauskommend, mit Valeria, Collegiem et cetera im Hintergrunde. Die zweite ist das grosse Conzert in der Kathedrale; beides hübsche, interessante Holzschnitte; schade, dass die Costume der Zuschauerinnen zum Theil fremdartig sind und das Walliserhütchen ganz kurios entstellt ist. –

Nun muss ich Ihnen auch noch melden, dass ich mit den 365 Fr., die ich mitgenommen, bald zu Ende bin; ich möchte Sie daher bitten, mir gütigst bald wieder Geld zu senden. Die Ausgaben waren meine Herreise, Kost, Logis, Licht, Wäsche, das Honorar an die Akademie (6 Thaler), die Anschaffung von Farben, verschiedenen andere Material zum Zeichnen, Malen, ein Sammtrock, Cravatte, Reparaturen an Schuhe und Kleider, und der gleichen – Ich habe übrigens die Aussicht, hier bald einmal etwas verdienen zu können. 

Es bietet sich hier, bei den vielen Kunstliebhabern, Kunsthändlern et cetera auch dem Anfänger, Schüler, noch nicht ausgebildete Künstler die Gelegenheit, ein Porträt, eine Skizze, Studie, ein Bildchen etc, zu malen, und zu verkaufen. - Mit vielen 1000 herzlichen Grüssen an Sie, Mama, Geschwisterte, an die Herr Berchtold, Rion, Calpini, an die Familie von Kalbermatten, ferner an Tavernier, Mutter, Dénériaz und so weiter

Von Ihrem dankschuldigsten Sohn Rafael.