Emetteur: Raphael Ritz

Destinataire: Lorenz Justin Ritz

Lieu d'envoi: Düsseldorf

Date d'envoi: 10-03-1854

Sources complémentaires

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Raphael Ritz à son père Lorenz Justin Ritz à Sion.Travail dans la salle des antiquités - Travail sur une étude de tête avec le professeur Mürke - Appréciation de la peinture de genre - Les 2 expositions - Coûts et dépenses.

Düsseldorf den 10. März 1854

Bester Vater!

Ich habe Ihren lieben Brief mit den Beilagen (als 3 Ansichten, Musikalien und ein Brief an Prof. Schirmer) richtig erhalten und sende Ihnen dafür meinen herzlichen Dank. – Ich kann nun diesen Brief mit der frohen Nachricht eröffnen, dass ich letzthin[1] im Antikensaale Platz bekommen habe. Ich verliess also das Atelier des Prof. Mücke, trat in den Antikensaal, konnte in demselben die untere Abtheilung (Köpfe und Hände und Füsse) überspringen und kann so gleich zu den ganzen Figuren, „damit ich schnell vorwärts komme" (wie der Professor Sohn mir sagte). – Ich machte mich also zuerst an den stehenden Diskuswerfer. Es wird hier im Antikensaale alles auf der Staffelei gezeichnet und zwar stehend, was gut und sehr gesund ist. Der Professor kommt alle zwei Tage einmal. – Die Zahl sämmtlicher Antikenschüler beläuft sich auf zwanzig, aus Deutschland, Schweden, Norwegen, Holland, Russland, sogar aus Nordamerika, wozu nun also auch ein Schweizer gekommen ist. –

Meine letzte Arbeit bei Prof. Mücke war ein Studienkopf nach dem Leben, den ich auf den Rath des Professors in Oelfarben malte, da das Colorit sehr lehrreich war. Es ist das Einzige, das ich hier bisher gemalt habe, und auch der erste Kopf, den ich in meinem Leben nach der Natur gemalt habe. –

Das Aktzeichnen, abends in der Akademie, hat nun bis zum Herbst aufgehört. Wir hatten alle Abende (Sontag ausgenommen) zwei Stunden Akt, bis Februar von 5 bis 7 Uhr, und im Februar von 6 bis 8 Uhr. Die Beleuchtung war mit Gas-Lampen. – Ich werde des Abends nun auch bisweilen kleine Versuche mit Compositionen machen und zwar aus unserm heimatlichen Volksleben, das im Wallis wie in der Schweiz überhaupt so interessant, schön und dankbar zur Darstellung ist, sowohl in Betreff der Motive als der Karaktere, Costüme und Beiwerke, und auch viele interessante Gegenstände, Gebräuche u.d.gl. für Genres bietet, die bisher noch ganz unbekannt und[2] neu und noch nie behandelt worden sind. – Ich wähle darum Gegenstände aus dem Volksleben oder Genres, weil ich dazu die meiste Neigung empfinde; Historienmaler werde ich wohl nicht werden. Die Historienmalerei ist, bei meinem Alter das schwierigste, kostspieligste Fach, mit dem es in Betreff des Brodverdienstes gerade am schlimmsten aussieht, besonders bei dem gegenwärtigen Zeitgeschmacke des grossen Haufens, der nur mehr nach Porträts, Genrebildern und Landschaften fragt, so dass der Historienmaler nur auf wenige (etwa Kirche oder Fürsten) angewiesen ist und einen hohen Grad erreichen muss. Ob ich den aber im historischen Fache, das so ungeheuer schwierig ist, je erreiche, ist eine grosse Frage; erreiche ich aber nicht einen solchen Grad, so bin ich bloss auf’s Wallis beschränkt; wie werden da aber Kirchenbilder bestellt und bezahlt und noch schlechter als mit Heiliges Bildern steht’s mit Bildern aus der weltlichen Geschichte, Vaterlandsgeschichte und so weiter )[3] –?!

Hingegen muss ich aufrichtig gestehen, dass mich die Genremalerei bei Weitem am Meisten anzieht, und zwar in jeder Hinsicht. Sie ist ein Fach, in dem sich weit eher was Gutes und Anziehendes leisten lässt als in der Historien- malerei; die Genrebilder werden überdiess weit mehr und eher gekauft, namentlich auf Kunstausstellungen. Das Genre ist auch dasjenige Fach, das sich am Besten und Leichtesten mit der Porträtmalerei verbinden lässt, ja das Porträt geht sogar oft ins Genrebild über (man sieht hier oft solche Porträts oder Genre-[4] Bilder, die beliebt sind); der Genremaler muss nothwendig auch Porträtmaler sein. Ich denke also, es wäre wohl das Beste für mich, wenn ich Porträt und Genremalerei für mein Fach wählen würde, und zwar sowohl wegen meiner Vorliebe dafür, als auch in spekulativer Hinsicht. – Was sagen Sie dazu? –

Im verflossenen Monate waren hier zwei besondere Kunstausstellungen, eine in der Akademie, die eine Menge herrlicher Bilder hatte, besonders von Lessing, Hübner, Jordan, Hasenclever, Sohn, Siegert, Bewer, Mengelberg, Schirmer, Weber etc. etc. Die zweite Ausstellung war im Atelier des berühmten Historienmalers Leutze, die ganz besonders durch ein kolossales Gemälde dieses grossen Meisters Scene[5] aus dem amerikanischen Freiheits- kriege glänzte. –

Ich befinde mich ganz wohlauf und gesund und wohne noch immer in demselben Hause, zu 14 Thaler monatlich. Ich wollte einmal versuchen, mit 11 Thaler auszukommen, indem ich kurze Zeit durch erst Abends 5 Uhr zu Mittag speisste und somit kein Nachtessen mehr nahm. Ich merkte aber bald, dass dieses der Gesundheit und dem Kunststudium nachtheilig war und richtete mich wieder in die frühere gewohnte Art ein. Licht, Wäsche und Einheizung (bloss abends) müssen überall noch extra bezahlt werden. Ueber einen Monat aber kann ich eine Wohnung mit Kost für 12 Thaler bekommen; das Einheizen fällt bald weg. Da ich nun auch Platz in der Akademie bekommen habe, so ist mir auch ein schwerer Stein vom Herzen gefallen, nämlich das Geld für den[6] Unterricht im Atelier bei Prof. Mücke, das nun wegfällt und das mir natürlich Sorgen machte, (um so mehr da ich nicht wusste, wie lange die Anwartschaft noch dauern würde.) Sie wissen, dass ich monatlich 2 Friedrichs d’or zahlen musste (das ist 42 n. Franks). – Der Akademie musste ich, wie alle, 8 Thaler für Receptions-Gebühr und Honorar zahlen und 3 Thaler für den Curs der Anatomie (der abends zweimal wöchentlich stattfindet). Meine bisherigen Ausgaben sind, zusammen gerechnet, folgende:

Kost, Logie und Einheizung für 4 Monat[7] kosteten mich bisher Thaler 60. Der Unterricht bei Prof. Mücke „ 34. Die Gebühren der Akademie etc., (Zeichnungsmaterialien| Zeichnungsmaterialie?) , Staffelei, einige Farben, Mappe, Instrumente und Bücher für die Perspektive und Anatomie u.d.gl., zusammen 26. Die Ausgaben für Licht und Wäsche, Hut, Parapluie, 1 Halstuch, 1 Paar Schuhe (die ich aus Bedürfniss haben musste), Brille und Arzneien (für den ersten Monat), etc. 18. Endlich die Reise hieher kostete mich . . . . . . . 29, (indem ich aus Unkunde in der Eisenbahn und im Dampfschiff in Klasse N. 2 gefahren bin, während N. 3 zwar unbequemer aber fast die Hälfte billiger sein soll, was ich aber zu spät vernahm). So kommen meine bisherige Ausgaben im Total auf 167 Thaler, so sparsam ich auch war. Sie sehen also, dass meine Baarschaft zusammengeschmolzen ist und dass ich diesen Brief mit einer Bitte um eine gütige Sendung von Geld schliessen muss, (wenn’s auch nur für einen Monat oder für ein Trimester ist). Dass meine bisherigen Ausgaben nicht massgebend für die Zukunft sind, versteht sich von selbst, indem nun die meisten der genannten bisherigen Ausgaben zukünftig wegfallen. –

Schliesslich viele 1000 Grüsse und Empfehlungen an Sie, Mama, Wilhelm, Lorete, an meine Freunde, Gönner etc. in Sitten, etc. von

Ihrem dankschuldigsten Sohn Rafael.

[1] Au-dessus de la ligne

[2] Au-dessus de la ligne

[3] Dans la marge gauche

[4] Au-dessus de la ligne

[5] Au-dessus de la ligne

[6] Au-dessus de la ligne

[7] Au-dessus de la ligne